Fortsetzung Barbu...
Entscheidendes Ereignis für die Mission ist 1622 die Gründung der Sacra Congregatio Propaganda Fide, die für die Mission zuständig ist. Damit wurden unter Kardinal Ingoli Befugnisse gebündelt und klarere Absichten für die Mission und die Finanzierung ihrer Aufgaben formuliert. Auf dieser Basis entstanden auch die Hauptquellen von Barbus
Untersuchung – die Frageformulare für die Missionare und Visitationsberichte der Bischöfe und Präfekten. Es blieben Disparitäten bestehen, wie die Doppelung der Zuständigkeiten durch das Missionsrecht und die Nuntiaturen in den großen Städten: das Vikariat des Patriarchen im osmanischen Konstantinopel, der Bischof von Lviv (Lwow, Lemberg) und die Nuntiatur in Wien, die polnischen Bischöfe, die weltlichen Fürsten der Moldau und der Walachei, die Konkurrenz und unterschiedlichen bürokratischen Strukturen von Franziskanerorden (mit ihren 2 Richtungen Minoriten und Observanten) und Jesuiten, das kanonische Kirchenrecht und das Missionsrecht (47). So stießen sich in der Moldau mindestens 2 große Einflussphären, die zudem vom Gegensatz der Orden beeinflusst wurde: Der Jesuitenorden hatte sich von Polen als auch Siebenbürgen aus in die Moldau ausgebreitet, während die meisten Missionare in Moldau und Walachei italienische oder kroatische Franziskaner waren. Dabei stellten die beiden rumänischen Fürstentümer zugleich apostolisches Gebiet (Wiener Nuntiatur vermittelt durch die polnischen Bischöfe) als auch Missionsländer dar. Letzteres vor allem auch, weil von den früheren katholischen Diözesen Milcov, Argeș, Severin, Baia, Siret nur noch Bacău in der Moldau vorhanden war und es galt, das Wissen über die katholische Form der Liturgie zu stabilisieren und verbreiten. Die beiden Fürstentümer besaßen durchaus Priorität im weltweiten Wirken der Propaganda, lagen sie doch in einem besonders wichtigen politischen und religiösen Raum zwischen den christlichen Konfessionen und dem Islam.
Es bestand ein großes Problem darin, dass die Bischöfe von Bacău dort nicht anwesend waren, auch die Missionspräfekten umgingen es zunächst, hinter die Karpaten zu reisen. Erst Athanasie Rudzinski ließ sich 1662 in Bacău nieder, das zugleich auch Suffragansitz unter dem Patronat der polnischen Diözese Lviv war. In der Walachei war der Einfluss der bulgarischen Franziskaner vorherrschend. Die Franziskaner (beider Richtungen: Minoriten und Observanten) waren bei der Bevölkerung am besten gelitten, da sie aufgrund ihres Armutsgelübdes sich in der Lebensweise nicht grundlegend unterschieden.(98) Was aber auch einige handfeste Interessen der Franziskaner nicht ausschloss. Die religiöse Lage der Zeit und des Raums zwischen Orient und Okzident brachte es mit sich, dass nicht nur die katholische, sondern auch die christlich-orthodoxe Bevölkerung in Kontakt mit den Missionaren gelangte, was bei längerer Abwesenheit der Missionare auch dazu führen konnte, dass die Katholiken einen Synkretismus zwischen orthodox und katholisch lebten. Andererseits reichten die Bekehrungsversuche insbesondere der Jesuiten, die eher auf die Missionierung der Eliten ausgerichtet waren, bis zu den Fürsten, was in einzelnen Fällen sogar zur (heimlichen) Konvertierung führte (Mihnea III., Grigore II. Ghica).
Der nicht chronologische, sondern strukturalistische Aufbau des Buchs bringt es mit sich, dass die Frage der Missionierung der Protestanten in Osteuropa durch die Propaganda Fide die Darstellung zurückführt ins 16. Jahrhundert, als das Konzil von Trient (1545-1563) tiefgreifende Antworten auf die protestantische Herausforderung formulierte und bereits von Polen aus Jesuitenmissionen in die Moldau stattfanden. Der dortige Herrscher Petru Șchiopul förderte diese und vertrieb die Protestanten, während sein Vorgänger Despot Vodă wiederum reformationsfreundlich gewesen war und die katholischen Priester vertrieben hatten. Mit Bernardo Quirini wurde 1604 erstmals ein Bischof auf den Sitz von Bacău berufen (es handelte sich um die Verlegung des Sitzes von Argeș nach Bacău), aber erst 1662 residierte mit genanntem Athanasie Rudzinski dort auch der ernannte katholische Bischof. Die Wirkung des Protetantismus reichte bis nach Konstantinopel, wo sogar der Ökumenische Patriarch Kyrill Loukaris calvinistische Tendenzen zeigte (und an einer Allianz Russlands und protestantischer Mächte im Osmanischen Reich gegen das katholische Polen arbeitete). Solche Hinweise lassen die Spannweite des von Barbu durchdrungenen historischen Stoffs erscheinen.
Eine weitere Folge des Tridentinischen Konzils bestand in einer großen Zahl von lokalen Synoden zur Erläuterung der Konzilsbeschlüsse oder aus disziplinarischen Gründen, von denen auch einige in den Donaufürstentümern abgehalten wurden. Die Synode von Cotnari 1642 folgte auf Vorgängersynoden Ende des 16. Jahrhunderts, es ging ihr um "Beseitigung 'der Missbräuche und der Unordnung', die der apostolische Vikar Bartolomeo Bassetti in der Moldau während seiner Mission festgestellt hatte." (209) Ebenso wurden Fragen der einheitlichen Liturgie, des Laienpriestertums wie auch die Forderung nach einem residierenden Bischof nach Rom formuliert. 1663 folgte eine weitere Synode in Bacău zur Frage der Laienpriester und damit zu einem autochthonen Priestertum, die erstmals mit Athanasie Rudzinski einen residierenden Bischof von Bacău als Initiator und Ausrichter hatte. Ihm ging es um die Unterordnung der Missionare unter sein Bischofsamt, nachdem diese vielfach gegen die Regeln des Franziskaner- und Jesuitenordens verstoßen hatten. Die liturgischen Fragen führten auch zum Problem des Verfügbarkeit von Messbüchern, dem Barbu spezielle Aufmerksamkeit schenkt und auf Druckereien, Vertrieb und Gebrauch ausführlich eingeht. Interessant ist im Zusammenhang mit dem Laienpriestertum auch die Frage der Liturgiesprache, die auf längere Sicht die der Einheimischen hätte werden sollen. Eine weitere häufig behandelte Frage war die der mehrfachen Eheschließung nach Scheidungen.
Einen umfangreichen Teil ihrer Ausführungen über die Mission widmet Barbu neben den historischen Umständen den theologischen Diskussionen und dogmatischen Fragen wie der des Fegefeuers, das auch den Titel der Studie abgibt, aber auch zu eher praktischen Dinge wie den Sakramenten, dem Kirchenbau, dem Alltag der Gemeinden gelten diese Beobachtungen. Die Autorin entwirft dabei ein Bild der katholischen gegenreformatorischen Mission, das auch die rumänischen Herrscher einbezieht, die in einigen Fällen (Vasile Lupu) als ausgesprochen tolerant und zugewandt erscheinen. Barbu erkennt in der Dialogizität der katholischen Mission Ansätze zur Modernisierung des orthodoxen Denkens mit einer weit in die Zukunft reichenden Ausstrahlung. Dabei hält die Autorin das Thema strikt aus der ethnisch-nationalen Fragestellung heraus. So stellt zwar eine ihrer Hauptquellensammlungen eine 2-bändige ungarische Dokumentensammlung mit dem Titel Moldvai -Csango-Magyar okmánytár 1467-1706 (Budapest 1989) dar, aber die Ceangăi (Csángo; Tschangos: katholische Bewohner*innen der- Nordmoldau um Bacău mit ungarischen Wurzeln, die z.T. heute noch ungarisch sprechen) werden nicht als Thema des Buches erkenntlich, sondern ausschließlich die Katholiken allgemein mit ihren jeweiligen ethnischen Hintergründen (192-198).
Was als spezielle und marginale Fragestellung erscheinen könnte, erweist sich nach Lektüre als ein gewichtiger Beitrag sowohl zur Geschichte von Moldau und Walachei als auch zur Entwicklung der Mentalitäten an den Karpaten. Angesichts einer heute dominierenden Orthodoxie, die vielfach behauptet, dass "Rumänischsein" unbedingt auch den orthodoxen Glauben erfordere, verdienen Katholizismus und Protestantismus als historische und auch gegenwärtige Glaubenskonfessionen einen so ausführlichen wie auch präzisen Blick, wie ihn Violeta Barbu mit ihrer großen Studie auf zahlreiche Details und Problemstellungen geworfen hat.
Wären auch eine etwas anschmiegsamere Übersetzung und weniger Druckfehler dem Buch zu wünschen, so ist dennoch der Verlag zu beglückwünschen für diese außergewöhnliche Initiative, eine so ausführliche Studie zu einem nur scheinbar abgelegenen Thema in seine Reihe Blickpunkt Rumänien aufzunehmen. Der Band leistet eine wichtigen Beitrag zur Einordnung der Donaufürstentümer in den europäischen Kontext während der Epoche der Konfessionalisierung.
Violeta Barbu: Fegefeuer der Missionare. Gegenreformation in den Donaufürstentümern. Gekürzt von Daniel Barbu, Übersetzung Larissa Schippel. new academic press Wien 2020 (Blickpunkt Rumänien 7), 504 Seiten, ISBN 978-3-7003-2135-4