Spoerri: Perlen für Messias
Feinstein überlebte die Nacht in der Chestura und wurde am nächsten Morgen, den 1. Juli, ein Montag, mit zahlreichen anderen zum Bahnhof von Iaşi geführt und in Viehwaggons verfrachtet. Zwei Überlebende bezeugten später der Ehefrau:
"Feinstein war in dem gleichen Wagon wie wir. Wir waren so eng zusammengequetscht, dass wir uns nicht mehr bewegen konnten und nur schwer atmen. Wir waren so 140 Seelen in einem Güterwagon für den Transport von Vieh, der im Normalfall 40 Menschen transportieren konnte. Türen und Fenster waren verschlossen, alle Lüftungen und Löcher waren verstopft, wonach Dampf von unten eingeleitet wurde. Es war eine furchtbare Todesreise. Viele verloren auch den Verstand. die Schreie des Leidens waren schrecklich. Der Zug hielt oft an und stand stundenlang in der brennenden Sonnehitze. Furchtbare Dinge, die man nicht erzählen kann, geschahen. Die das überlebt haben, werden für immer von ihren Erinnerungen gefoltert werden.
Ihr Ehemann hat anscheinend nicht zu viel gelitten. Er begann Psalmen mit lauter kräftiger Stimme zu rezitieren und sein Gesicht war wie das eines Engels. Dann schlief er ein und wachte nicht mehr auf. In der Nacht wurde der Wagon in einem kleinen Bahnhof der Moldau [Podu Iloaiei] geöffnet und die Kadaver wurden hinausgeworfen. Sie nahmen an, dass wir alle im Wagon gestorben seien, erstickt auf dieser Todesreise, aber das Schicksal wollte es anders. Sechs von uns waren nur bewusstlos. Wir waren verletzt, als auch wir aus dem Wagon zwischen den Kadavern fielen. Als die Soldaten sahen, dass wir bluteten, gaben sie uns Hilfe, so dass wir das Bewusstsein wieder erlangten. Sie gaben uns etwas zu essen, wonach sie uns zwangen, unsere lieben Freunde in einem gemeinsamen Grab zu begraben. So fanden wir unseren lieben Herrn Feinstein unter ihnen. Wir haben für ihn ein gesondertes Grab gegraben."
Lydia Feinstein-Spoerri brauchte über ein Jahr, um die Papiere zu erlangen, um mit den sechs Kindern auf abenteuerlichen Wegen 1942 mitten im Zweiten Weltkrieg über den Balkan und Italien in die Schweiz sich zu retten. Sie schrieb für ihre Kinder später einen Bericht über die Ereignisse in Iaşi und die Flucht, den ihr Sohn Theophil unter dem Titel Lydias Dankhefte veröffentlichte. Ebenso lässt sich in dem von Theophil Spoerri als Dokumentarroman mit veränderten Namen publizierten Buch Perlen für Messias. Die Goldstein-Hufschmid-Saga die Vorgeschichte der Familien Feinstein und Spoerri nachvollziehen bis zum Pogrom und der späteren Aufnahme bei einzelnen Mitgliedern der großen Familie Spoerri in der Schweiz. Sein älterer Bruder Daniel hat im hohen Alter als weltberühmter Künstler wie auch Theophil sich noch einmal auf den Weg in die Moldau gemacht, um die Spuren seines ermordeten Vaters zu suchen. Er lebt heute in Wien. Seine Schwester Miriam war eine viel gefragte Schauspielerin, Theophil Spoerri wurde Theologe, der auch als Musiker mit jiddischen Lieder auftritt. Für diese Seite seiner vielfältigen Talente hat er sich den Namen Ben-Jizchak Feinstein beigelegt - Sohn des Isaak Feinstein.
[Das beschriebene und weitere Fotos der Feinsteins und das Zitat von Jean Leibovici finden sich in: Gheorghe Samoilă: „Eu ştiu că ei mă vor ucide...” Isaac Feinstein (1904 - 1941). Un evreu român, martir al lui Hristos (biografia în documente, texte şi fotografii). Editura PIM Iaşi 2013]
Theophil Spoerri: Perlen für Messias. Die Goldstein-Hufschmid-Saga. Verlag Huber Frauenfeld 2010
ders.: Lydias Dankhefte: Ein Sohn auf den Spuren seiner Mutter. Theodor Boder Verlag, Mumpf 2013
Vaterspurensuche: Bericht über eine Reise in die rumänische Moldau und Bukowina im Mai 2012. Theodor Boder Verlag, Mumpf 2016 [ebenfalls mit dem erwähnten Foto]